Feindbild Demonstrant*in

Pressemitteilung #17 vom 09.07.2017

Die Einreisesperren rund um den Sonderzug zum G20-Gipfel von Basel nach Hamburg, die gegen Demonstrant*innen aus der Schweiz verhängt worden waren, wurden in der Nacht auf den 7. Juli vom Verwaltungsgericht Stuttgart vorläufig außer Kraft gesetzt. Nachdem Eilanträge gestellt worden waren, wurde in drei Fällen die aufschiebenden Wirkung der Beschwerden gegen die Einreisesperren wiederhergestellt, so dass die Betroffenen einreisen konnten.

Die Haftbedingungen in der Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg sind katastrophal, die Gefangenen werden menschenunwürdig behandelt. Der Zugang zu anwaltlichem Beistand und ärztlicher Versorgung wurde verschleppt. Anwält*innen berichten von systematischem Schlafentzug durch Dauerbeleuchtung, Essensentzug, bewusster Verletzung des Schamgefühls, unerträglicher Hitze in den Zellen, Erniedrigungen und Einschüchterungen sowie absichtlicher Desinformation über die angeblich zu erwartenden Strafen.

Bei den Blockaden der Protokollstrecken am Morgen des 7. Juli wurde die Wiener Sondereinheit WEGA eingesetzt. Demonstrant*innen berichteten von ungewöhnlich starkem Reizgas, das heftige Atemnot, Krämpfe und in einem Fall einen epileptischen Anfall auslöste. Am Vortrag ereignete sich ein weiterer Vorfall mit einer anderen Polizeieinheit. Einem Demonstranten wurde Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und mit einem Schlagstock auf den Hals geschlagen. Er erlitt daraufhin einen Asthmaanfall und wurde mit einem Krankenwagen in die Notaufnahme des Altonaer Krankenhauses gebracht, wo er beatmet werden musste.

Während der Proteste gab es mehrfach gezielte Wasserwerfer-Angriffe auf Demosanis während diese gerade Verletzten behandelten. Auch wurden Demosanis von der Polizei von Verletzten weggedrängt und in einem Fall wurde eine verletzte Person während der medizinischen Versorgung sogar durch die Polizei weggezogen und mitgenommen. Erfreulicherweise wurden Demosanigruppen jedoch in vielen Fällen durch Anwohner*innen spontan durch Rückzugsräume zur Versorgung von Verletzten und mit Essen unterstützt.

Im Laufe des Gipfels revidierte die Polizei ihre Startegie „lieber Verletzte hinterlassen als Gefangene zu machen“ und fahndet nun nach vermeintlichen Straftäter*innen. Auf der Raststätte Stolper Heide bei Henningsdorf vor Berlin wurden beispielsweise PKW und Busse von der Polizei im Rahmen der Fahndungen kontrolliert. Die Polizist*innen kontrollierten Personalien und fertigten – angeblich auf freiwilliger Basis – Fotos der Reisenden an. Ziel der Kontrolle war nach Angaben der Polizei vor Ort die Suche nach Zeug*innen „schwerer Straftaten“ bei den Protesten gegen den G20-Gipfel.

Mittlerweile spricht die Polizei von rund 500 Polizist*innen, die im Zuge der Auseinandersetzungen rund um den G20-Gipfel verletzt wurden. Damit liegen die von der Polizei veröffentlichten Zahlen leicht höher als die des G8-Gipfels 2007. Nach dem Gipfel vor zehn Jahren stellte sich aber heraus, dass die damaligen Zahlen maßlos übertrieben waren. Von den angeblich 25 schwerverletzten Polizist*innen mussten lediglich zwei stationär behandelt werden. Nach Angaben von Sanitäter*innen wurden die meisten der 433 Polizist*innen beim G8-Gipfel zudem durch friendly fire, also durch Einsatz von CS- und CN-Gas sowie Pfefferspray verletzt. Vor diesem Hintergrund ist die kolportierte Zahl verletzter Polizist*innen beim G20-Gipfel mit Vorsicht zu genießen.